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Im Stadtteil Rothenburgsort, Wiege der zentralen Wasserversorgung Hamburgs, saniert das Ver- und Entsorgungsunternehmen Hamburg Wasser derzeit eine rund 100 Jahre alte Ringleitung. Diese verbindet fünf Trinkwasserbehälter mit einem Gesamtspeichervolumen von rund 100.000 m³ miteinander. Aufgrund der Bedeutung der Behälter für die Versorgungssicherheit der Hamburger Innenstadt und der südöstlichen Stadtteile, können die Arbeiten bei laufendem Betrieb nur in der verbrauchsarmen Jahreszeit erfolgen. Eine ingenieurstechnische und logistische Herausforderung, die den Auftraggeber dazu zwingt, das Projekt in fünf Bauabschnitte zu unterteilen.

Der Trinkwasserbedarf im Versorgungssystem von Hamburg Wasser, das Hamburg selbst sowie Umlandsgemeinden beliefert, betrug im Jahr 2014 ca. 115,5 Mio. m³. Die maximale Tagesabgabe lag bei 377.000 m³, die minimale bei 254.000 m³. Einen Knotenpunkt der Wasserversorgung bildet das Behältersystem in Rothenburgsort, das mir einem Volumen von knapp 100.000 m³ weite Teil der Innenstadt und das östliche Versorgungsgebiet bedient. Im Laufe des 20. Jahrhunderts schrittweise erweitert, ist nunmehr eine Modernisierung der Behälterverbindungen erforderlich. Diese muss wegen der zentralen Lage und Bedeutung abschnittsweise im laufenden Betrieb erfolgen, was besondere Anforderungen an Planung und Bauablauf stellt.

Das Hamburger Trinkwasserversorgungssystem

Das Trinkwasserversorgungssystem von Hamburg Wasser ist in die Versorgungszonen Mitte, Nord-Ost, Süd und West unterteilt. 16 Grundwasserwerke speisen in das Verbundsystem mit einer Netzlänge von rund 5.500 km ein. Aus Gründen der Energieeffizienz sind in diesen Versorgungszonen weitere Druckzonen, insgesamt zehn, eingerichtet.

Die Wasserbilanz der einzelnen Versorgungszonen (VZ) ist von den Wasserwerken dieser Zone zu schließen. Sollte dies aufgrund von Förderkapazitäten oder technisch bedingten Engpässen nicht möglich sein, muss die Fehlmenge über definierte Übergabestellen (Üst) aus den benachbarten Versorgungszonen bezogen und in den Wasserbilanzen berücksichtigt werden. Die Werksausgangsdrücke sind mit dem Netzbetrieb abgestimmt und berücksichtigen die Vorgaben der Netzhydraulik zur Einhaltung der Mindestdrücke entsprechend den Vorgaben des technischen Regelwerkes auch in entfernten Gebieten.

Die Wasserwerke in den jeweiligen Versorgungszonen werden als Grundlast- oder Druckregelwerke betrieben. Die Grundlastwerke fördern eine täglich konstante Trinkwassermenge in das Transportleitungssystem mit einem festen Werksausgangsdruck, die Druckregelwerke wiederum gleichen die Schwankungen des Wasserbedarfes aus, bei einem möglichst konstanten Versorgungsdruck. In einer Versorgungszone übernimmt ein Wasserwerk die Aufgabe des Druckregelwerkes. Lediglich in der sehr weit ausgedehnten Versorgungszone Nord-Ost sind zwei Werke notwendig, um den Mindestdruck einzuhalten.

Die Bedeutung der Versorgungszone Mitte

Die Versorgungszone Mitte umfasst das Hamburger Stadtzentrum und die südöstlich gelegenen Stadtteile. Der Wasserbedarf liegt hier mit ca. 31 Mio. m³ bei etwa 27 % des Gesamtbedarfes 2014 und wird geprägt durch überwiegend gewerbliche Einflüsse. Der maximale Tagesbedarf wird bei entsprechend warmen Witterungsbedingungen in der Regel am Anfang der Woche mit bis zu 120.000 m³ erreicht, der minimale Bedarf an Sonn- oder Feiertagen mit ca. 60.000 m³. In den vergangenen Jahren wurden die stündlichen Bedarfsspitzen stets bei besonderen Ereignissen, beispielsweise Fußballspiele, mit bis zu 8.500 m³ / Stunde erreicht und übersteigen die herkömmlichen Sommerspitzen um bis zu 20 %. Der Nachtverbrauch hingegen kann in verbrauchsarmen Zeiten bis auf 700 m³ / Stunde sinken.

Für die Sicherung des Trinkwasserbedarfes in der Versorgungszone stehen das Wasserwerk Curslack als Grundlastwerk und das Wasserwerk Billbrook als Spitzenlastwerk zur Verfügung. Das Trinkwasser beider Werke wird im Behältersystem des Hauptpumpwerkes Rothenburgsort zu einer einheitlichen Wasserqualität vermischt, gespeichert und zentral in der Versorgungszone Mitte verteilt (Abb. 1).

Da die Grundwassergewinnungskapazitäten zu Spitzenzeiten und für besondere Versorgungssituationen nicht ausreichen, wurden zwei Übergabestellen zur Versorgungszone Nord-Ost und eine zur Versorgungszone Süd eingerichtet. Über diese kann eine definierte, fahrplangesteuerte Wassermenge in die Versorgungszone Mitte eingeleitet werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, mit dem Pumpwerk Pferdemarkt eine definierte Wassermenge von der Versorgungszone Mitte in die Versorgungszone West zur Aufrechterhaltung der dortigen Versorgungssicherheit zu pumpen.

Beschreibung des Hauptpumpwerkes Rothenburgsort

Das Gelände des Hauptpumpwerkes Rothenburgsort wurde seit Aufbau der zentralen Wasserversorgung für Hamburg 1848 zunächst von der ehemaligen Stadtwasserkunst, dann von der nachfolgenden Hamburger Wasserwerke GmbH und heute von Hamburg Wasser mit Anlagen der Trinkwasserversorgung genutzt. Heute liegen auf dem Gelände neben den Gebäuden der Hauptverwaltung und dem Zentrallabor wichtige Einrichtungen der Wasserversorgung wie die Zentrale Leitwarte, die Aufbereitungsanlage des Wasserwerks Billbrook, das Behältersystem und die beiden Pumpwerke des Hauptpumpwerkes Rothenburgsort.

Für die Trinkwasserspeicherung stehen fünf Trinkwasserbehälter mit einem maximalen Speichervolumen von bis zu 100.000 m³ zur Verfügung. Damit können die enormen stündlichen Schwankungen des Trinkwasserbedarfes gepuffert und die abgeforderten Leistungen der Wasseraufbereitungsanlagen der Wasserwerke Curslack und Billbrook konstant gehalten werden. Das Trinkwasser wird mit zwei Pumpwerken druckabhängig in das Transportleitungssystem gepumpt. Die Pumpwerke sind hydraulisch so bemessen, dass jedes den Trinkwasserbedarf abdecken kann.

Die heute betriebenen Trinkwasserbehälter und die dazugehörigen Verbindungsleitungen bzw. -kanäle stammen aus den Jahren 1928, 1957, 1976 und 1979. Als Absperr- und Regelarmaturen wurden neben Klappen und Schiebern für die Rohrleitungen auch Schotte für die Kanäle eingesetzt. Die Nutzung von Kanälen und Rohrleitungen als Verbindungen zwischen den Behältern und den beiden Pumpwerken machte den Bau von Schächten notwendig. Die Trinkwasserbehälter, Kanäle, Rohrleitungen und Schächte wurden bei Bedarf im Laufe der Jahre mineralisch ausgekleidet. Die verwendeten Nennweiten bei den Rohrleitungen betragen bis zu DN 2000, die Kanäle haben einen Querschnitt bis 4,6 m². Zur Sicherstellung einer jederzeit gesicherten Qualität des abgegebenen Trinkwassers werden der Behälterzulauf und das abgegebene Trinkwasser in Abstimmung mit der Gesundheitsbehörde geringfügig mit Chlorgas desinfiziert.

Problembeschreibung und Sanierungskonzept

Die Qualität des Trinkwassers im Behältersystem wird seit vielen Jahren detailliert analytisch überwacht. Die Analyse der Untersuchungsergebnisse hat ergeben, dass Abschnitte des Kanalsystems und einige Verbindungsschächte nachteilige Auswirkungen auf die bakterielle Trinkwasserqualität haben. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang Einflüsse von Rissen in den Baukörpern, Totzonen bei wenig durchströmten Verbindungen und Absätzen, wie beispielsweise bei baulich bedingten Versatzen und Übergängen von Kanalquerschnitten und Rohrleitungen. Als Ergebnis muss die Behälterverrohrung in Teilabschnitten erneuert werden.

Im Rahmen des ausgearbeiteten Sanierungskonzeptes galt es, mehrere sanierungsbedürftige Kanäle durch Rohrleitungen zu ersetzen, zwei Schächte zu sanieren und einen Schacht durch ein Schieberkreuz mit Sonderformbauteilen auszutauschen. Besondere Herausforderungen ergaben sich durch die Sicherstellung des laufenden Betriebes der Trinkwasserversorgung, die großen Nennweiten bis zu DN 2000 und die großen Bautiefen. Weiter können einzelne Trinkwasserbehälter nur in verbrauchsarmen Zeiten außer Betrieb genommen werden.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der hydraulischen Überprüfung des bestehenden Systems und der Dimensionierung der neu zu verlegenden Rohrleitungen. Bei den Berechnungen wurden als Lastfälle unter anderem Bedarfsspitzen wie große Fußballspiele, außerplanmäßige Wasserabgabesituationen wie Rohrbrüche an Haupttransportleitungen, aber auch planbare Wartungsarbeiten an zentralen Energieversorgungsanlagen, Förderpumpen oder Inspektions- und Reinigungsarbeiten an Trinkwasserbehältern berücksichtigt.

Das gesamte Projekt wurde in fünf Bauabschnitte unterteilt (Abb. 2). Als Zeitraum für die einzelnen Bauabschnitte stehen die Monate September bis April zur Verfügung. Die Bauzeit wird mindestens fünf Jahre betragen.

  • Bauabschnitt 1 – Ersatz des Mischerschachtes durch ein Schieberkreuz
  • Bauabschnitt 2 – Verrohrung des Kanalabschnittes Süd und Sanierung eines Schachtes
  • Bauabschnitt 3 – Verrohrung des Kanalabschnittes Nord
  • Bauabschnitt 4 – Sanierung eines Schachtes
  • Bauabschnitt 5 – Beseitigung eines hydraulischen Engpasses

Bauabschnitt 1 - Ersatz des Mischerschachtes durch ein Schieberkreuz

Der zu ersetzende, auf dem Gelände des Hauptpumpwerk Rothenburgsort gelegene Mischerschacht hat eine Grundfläche von rund 22 m² und eine Höhe von 5,4 m. In diesen Schacht mündet sowohl die Zuflussleitung aus dem Wasserwerk Curslack mit der Nennweite DN 2000, als auch die Zuflussleitung aus dem Wasserwerk Billbrook DN 1000.

Als weitere Zuflussleitung zum Behältersystem dient ein Rechteckkanal mit einem Durchmesser von rund 4,6 m², der mit einer Rohrleitung DN 2000 verbunden wird.

Aufgrund baulicher Mängel war der Austausch des Mischerschachtes durch ein Schieberkreuz notwendig geworden. Die Arbeiten umfassen den Einbau eines T-Stücks mit Aufsatzrohr DN 2000 sowie Noteinstieg und Anschluss einer Leitung DN 1000 aus dem Wasserwerk Billbrook und ein weiteres T-Stück DN 2000 zur Anbindung der Leitung DN 2000/DN 1400 aus dem Wasserwerk Curslack. Beide Formteile verbinden die Zuflussleitung zum Behältersystem DN 2000 und den Rechteckkanal als Notverbindung in DN 1200. Als Armaturen werden elektrisch angetriebene Klappen eingesetzt. Der Mischerschacht wird als Schachtbauwerk mit oberirdischem Zugang erhalten und beherbergt das als Mischelement genutzte T-Stück mit den zugehörigen Armaturen und den Noteinstieg.

Die Planung, Ausschreibung aller Teilgewerke, Auftragsvergabe und das Projektmanagement erfolgt durch Ingenieurkapazität von Hamburg Wasser mit teilweiser Unterstützung von CONSULAQUA Hamburg (CAH).

Mit den Bauarbeiten des ersten Bauabschnitts wurde 2014 begonnen. Das Schieberkreuz mit den Anbindungen konnte Mitte 2015 in zwei Abschnitten nach sehr kurzer Spülzeit in Betrieb genommen werden. Die Hochbauarbeiten im Bauabschnitt 1 werden voraussichtlich Ende 2015 abgeschlossen sein.

Fazit

Die Problemanalyse und Entwicklung von Lösungen für ein komplexes und historisch gewachsenes Gebilde wie das Behältersystem des Hauptpumpwerks Rothenburgsort setzten fundierte betriebliche, technische und wissenschaftliche Kenntnisse als Betreiber-Know-how voraus, um technisch und wirtschaftlich vertretbare Ergebnisse zu erreichen. Für die Umsetzung sind solide Ingenieurkapazitäten sowie leistungsfähige Lieferanten und Firmen notwendig.

(bbr, 10-2015)